Persönlichkeitsbild

Wenn nun hier versucht wird, zusammenfassend das Wesentliche und Charakteristische in seinem Persönlichkeitsbild darzustellen, dann kann es sich nur um eine Skizze handeln, in der manches von seinem liebenswerten Wesen und seinem segensreichen Wirken nicht zum Leuchten kommt.

Die Quelle, der alles prägende und beherrschende Wurzelgrund seiner menschlich-religiösen Persönlichkeit, mit all dem, was von ihr ausstrahlt, war sein Glaube, ein Glaube, den man als heroisch bezeichnen kann. P. Titus sah, beurteilte und bewertete alles, ja wirklich alles, aus der Sicht des Glaubens, und zwar so, als sei das die selbstverständlichste Sache der Welt. Glaubenszweifel, und das ist bemerkenswert, zeigen sich – jedenfalls erkennbar – nicht. Sein Glaube war unerschütterlich. Gott und seine Offenbarung in Christus, das war das feste Fundament, auf dem er sicher und ruhig stand, das war die alles bestimmende Mitte seines Denkens, Wollens und Handelns. Dabei war sein Glaube nicht so sehr ein verstandesmäßiges Überzeugtsein, sondern ein ganzmenschliches Erfasst- und Durchdrungensein von der lebendigen Wahrheit Gottes. Bei ihm ging daher auch der Glaube sogleich und unmittelbar ein in die Gottesliebe. Glaube und Liebe waren bei ihm zu einer lebensstarken, kraftvollen Einheit verschmolzen. Gott bzw. Christus, der menschgewordene Gott, war die Triebkraft seines Lebens. Gott war der Inhalt seines Lebens. Gott war die Freude und das Glück seines Lebens. Und Gott war auch der Trost seines Lebens. In der Liebe Gottes fühlte er sich sicher und geborgen wir ein Kind.

Ausgehend von der Sicht und Kraft des Glaubens war es ihm sodann das letztlich entscheidende Anliegen: Den Willen Gottes zu erkennen und ihn bedingungslos zu erfüllen, jedoch nicht nur so grundsätzlich und allgemein, sondern in der jeweils konkreten Situation. Was will Gott hier und jetzt von mir?! Das war die Frage, die ihn beständig im Grunde seiner Seele bewegte.

Gedrängt von seiner kindlich-vertrauensvollen Gottesliebe, und von dem Wunsch beseelt, Klarheit über die jeweils von Gott an ihn gestellte Forderung zu erhalten, war er fast ununterbrochen mit Gott im Gespräch. Das Gebet, sein Beten war ein besonders auffallendes Charakteristikum an P. Titus. Aber es war ganz und gar nicht ein pharisäerhaft gezeigtes Beten, sondern wie etwas, das ihm zur zweiten Natur geworden war. Wenn er täglich mehrmals vom Kloster in Füchtel zum Verlagsgebäude in die Stadt ging und zurückkam, betete er den Rosenkranz. Im Gerichtssaal, während der Verhandlung, in der es um Freispruch oder Verurteilung ging, betete er; ja, dort betete er auch für diejenigen, die aus Hass auf die Kirche und die Orden zielstrebig und hinterlistig seine Verurteilung anstrebten. Auf dem Krankenlager betete er unablässig, wie eine Krankenschwester bezeugt: "... einmal für die Mission, dann für das Vaterland ... Einmal hörte ich: 'Segne auch alle, die mich nicht lieben, die mich nicht leiden mögen'".

P. Titus war ein ausgesprochen eifriger Beter. Aber er hat dabei keineswegs seine vielfältigen Aufgaben und Arbeiten vernachlässigt. Es ist erstaunlich, wie enorm viel P. Titus geleistet und praktisch erreicht hat. Aber ein "Manager" war er nicht. Davor hat ihn sein Beten bewahrt.

P. Titus hat nie, bei aller ihm eigenen Zurückhaltung und Bescheidenheit, seine ihm vom Schöpfer verliehenen Talente, etwa aus buckliger Demut, versteckt oder gar nutzlos vergraben. Im Gegenteil! Wo immer und wann immer es ihm im Dienst vor Gott und am Nächsten möglich war, hat er alle seine Fähigkeiten pflichtbewusst eingesetzt, zumal dann, wenn er anderen helfen konnte, wenn er anderen eine Freude machen konnte.

Damit ist nun ein Wesenszug, eine menschliche und religiöse Grundhaltung angesprochen, die geradezu etwas Typisches und Auszeichnendes an P. Titus ist. Heute ist viel und oft überspitzt, die Rede von Selbstfindung, Selbstbestimmung, Selbstentfaltung und Selbstverwirklichung. Diese Begriffe und ihre Umsetzung in der Erziehung und in der Lebenspraxis sind heute vielfach die maßgebliche und ausschlaggebende Motivation und Begründung dafür, ob man diesen oder jenen Beruf ergreift, ob man diese oder jene Aktion unternimmt, ob man sein Leben so oder anders lebt. Gerade diese, allem Tun und Lassen vorausgehende Selbstbezogenheit und überspannte Selbstliebe waren P. Titus völlig fremd. Seine Lebensdevise war der Aufruf des Herrn: "Wenn jemand mir nachfolgen will, so verleugne er sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir!"

Der Lebensweg, den Gott P. Titus geführt hat, verläuft denn auch so ganz anders, als man es im Hinblick auf die natürlichmenschlichen Gegebenheiten wie: Neigung, Begabung, charakterliche Veranlagung, gesundheitliche Verfassung, kurz gesagt, im Hinblick auf seine ganze Wesensstruktur hätte erwarten können. Ohne Zweifel steht fest, dass fast alle ihm im Laufe seines Ordenslebens übertragenen Aufgaben im Grunde seinen innersten Neigungen und Bestrebungen widersprachen. Von seinen Neigungen und seiner innersten Wesensart her zog es ihn in die Stille, zu ungestörtem Gebet, zur Betrachtung und zur unmittelbaren Seelsorge, vor allem in den Beichtstuhl. Aber in der Realität seines Lebens ist er den Weg der Selbstverleugnung geführt worden. P. Titus ist ihn bereitwillig gegangen, bis hin zur Gefängnishaft und zur Verurteilung als Devisenverbrecher. Er, der äußerst gewissenhafte, rechtdenkende, so feinfühlige, gütige und selbstlose Mann hat das auf sich genommen als ein von Gott ihm zugedachtes Opfer. Gerade das Ende seines Lebensweges war ein Kreuzweg. P. Titus ist ihn gegangen, ergeben in Gottes Willen, bewusst sich selbst opfernd in der Nachfolge Christi.

Das Leben von P. Titus, das ist die feste Überzeugung aller, die ihn gekannt haben, hat seine Vollendung gefunden dadurch, dass Christus, der Auferstandene, ihn aufgenommen hat in die Gemeinschaft der Heiligen im Himmel und ihn hineingenommen hat in die Teilhabe an der ewigen Lebens- und Liebesfülle Gottes.

Und sicher ist auch wahr das Wort des Bischöflichen Offizials Grafenhorst: "Ich glaube, dass P. Titus als Freund Gottes eine große Macht der Fürsprache für uns und die eigentlichen Nöte unserer Zeit hat."

Am 2. Mai 1954, 18 Jahre nach dem Hinscheiden des Dieners Gottes, wurden seine sterblichen Überreste vom kath. Friedhof in der Stadt in die Kirche des Dominikanerklosters in Füchtel übertragen. Neben zahlreichen hohen Persönlichkeiten aus Kirche, Staat und öffentlichem Leben nahmen nach polizeilicher Schätzung über 50.000 Menschen an dieser überwältigend großartigen Feier teil. Der damalige Bischof von Münster, Dr. Michael Keller, sagte gegen Ende dieser einzigartigen, eindrucksvollen Feier am Schluss seiner Predigt:

"… Ich weiß, ihr seid gekommen, weil ihr noch innerlich das rechte Verständnis für das Ideal der Heiligkeit habt ... Das ist die Grundlage der innigen Freude, die mich heute und die uns alle bewegt. Wir alle hoffen, dass wir bald einen noch festlicheren Tag erleben dürfen, wenn die Kirche den schlichten Sohn des hl. Dominikus zur Ehre der Altäre erhebt. Das gebe Gott!"